Abschussanlage Rittersdorf - Site VII - 71st Tactical Missile Squadron

Endlich konnte ich Details zu den Abschussanlagen in Rittersdorf und Idenheim auftreiben! Nach einem Treffen mit Bernhard Groß, welcher sich jahrelang mit den Abschussanlagen und den Matador- und Mace-Flugkörpern befasst hat, will ich Ihnen seine Arbeit, mit seiner freundlichen Genehmigung, nicht vorenthalten.

Die folgenden Texte und Illustrationen (auf dieser Seite) unterliegen, soweit nicht anders angegeben, dem Copyright von Bernhard Gross (bernhardgross (at) t-online (punkt) de).

Mit dem Ausgang des zweiten Weltkrieges war bereits der Grundstein für den Kalten Krieg gelegt. Neben ständigen Provokationen bestätigte insbesondere die Kuba-Krise das Aggressionspotential der Sowjets. Um dem Warschauer Pakt Einhalt zu gebieten und um über gleiche (wenn nicht bessere) Waffen zu verfügen, wurden in den USA Boden-Boden-Flugkörper entwickelt.

Der Beginn dieser Entwicklung geht zurück auf das Team von Ingenieuren rund um Wernher von Braun und die deutsche Raketentechnologie. Dem amerikanischen Nachbau der V-1, der “Loon”, folgten zahlreiche Weiterentwicklungen auf dem Raketensektor, aus denen auch die spätere Entwicklung der Marschflugkörper hervorging. Eine dieser Entwicklungen war der Marschflugkörper "Matador" und sein Nachfolger, die "Mace".

Martin TM-76/MGM-13/CGM-13 Mace

Die Mace ("Keule") war eine Weiterentwicklung der TM-61 Matador-Flugkörper und wurde daher zunächst als TM-61B „Matador B“ bezeichnet. Ausschlaggebend für die neue Entwicklung war das funkferngesteuerte Leitsystem, das in seiner Reichweite sehr begrenzt war und die Tatsache, dass das Matador-Flugkörper­system sehr schwerfällig, unhandlich und schwer zu starten war. Die Mace hatte ein neu entworfenes Flugwerk mit kleineren Flügeln und einem längeren Rumpf, was die Reichweite auf bis zu 1300 Kilometer erhöhte. Zusätzlich konnte die Mace (mit Ausnahme des Startboosters, der "RATO-Flasche" – siehe unten) komplett in einem Stück auf ihrem Startanhänger transportiert werden.

Die bedeutendste Veränderung jedoch war das neue Leitsystem namens ATRAN (Automatic Terrain Recognition And Navigation = automatische Geländeerkennung und Navigation). ATRAN, entwickelt von Goodyear, passte sich dem Radar-Echo der Oberfläche an und ermöglichte dem Flugkörper, einem vorbestimmten Kurs zu folgen. ATRAN war dadurch im Wesentlichen die erste Anwendung des modernen TERCOM-Leitsystems (TERCOM = Terrain Contour Matching = Geländeoberflächenanpassung). Das System arbeitete vollkommen autonom und war resistent gegen feindliche Störstrahlung. Der Nachteil lag jedoch in der Notwendigkeit, Radarbilder des potentiellen Zieles zu erhalten, was in den 50er Jahren nicht einfach war. Die Flugerprobungen der YTM-61B begannen 1956.

Weil der Flugkörper bedeutende Unterschiede zu seinem Vorgänger, dem TM-61 Matador, aufwies, wurde die YTM-61B/TM-61B Matador B zu Beginn des Jahres 1958 umbenannt in "YTM-76/TM-76 Mace". Die Serienproduktion lief unter der Bezeichnung TM-76A. Das erste Geschwader der TM-76A ging 1959 in Bereitschaft und die Mace ersetzte kurz darauf viele bestehende Matador-Marschflugkörper.

Die TM-76B, deren Entwicklung 1959 begann, hatte statt ATRAN ein Wechselstrom-Trägheitssteuersystem. Dies erlaubte der Mace B eine Flughöhe, die ihre Reichweite verdoppelte. Ein Trägheitssteuersystem erfordert jedoch exakte Koordinaten der Startbasis, was wiederum in den 50er und 60er Jahren eine präzise Einmessung der Startbasis verlangte, die eine mobile Anwendung der TM-76B ausschloss. Sie wurde daher in ortsfesten und teilverbunkerten Basen stationiert. Die für einen Start erforderliche Zeit war dafür im Ausgleich sehr kurz. Der erste Abschuss einer TM-76B erfolgte am 11. Juli 1960 und die ersten betriebsbereiten Marschflugkörper wurden 1961 stationiert. 1963 wurden die TM-76 Mace in die "M-13-Serie" umbenannt.

So wurden aus der TM-76 die "MGM-13A", aus der TM-76A die "MGM-13B" und aus der TM-76B die "CGM-13C". Die Änderung der Kennzeichenbuchstaben der TM-76A/B in B/C verursachte einige Verwirrung und weil die Prototypenbezeichnung ohnehin nicht länger maßgeblich war, erfolgte eine weitere Umbenennung im Jahre 1964. Die TM-76 (MGM-13A) entfiel, die TM-76A wurde zur "MGM-13B" und die TM-76B wurde zur "CGM-13B".


Die folgende Tabelle soll dies verdeutlichen:

1956-1958

1958-1963

1963-1964

1964 - …

TM-61B

TM-76

MGM-13A

-

-

TM-76A

MGM-13B

MGM-13A

-

TM-76B

CGM-13C

CGM-13B

 

1965 verfügte Verteidigungsminister McNamara, dass die Mace durch die MGM-31A Pershing der Armee der US Luftwaffe ersetzt wird, hauptsächlich wegen ihres Hochgeschwindigkeits-Startvermögens. Ab 1966 wurde die MGM-13A zurückgezogen und ab 1971 war die Mace nicht mehr in aktiver Bereitschaft. Die restlichen vorhandenen Marschflugkörper wurden als 1:1-Ziel-Dronen benutzt. Als solche wurden die MGM-13A in MQM-13A umbenannt und die CGM-13B wurde zur MQM-13B. Zu beachten ist, dass die nachfolgenden Daten leichten Abweichungen unterliegen können; die angegebenen Werte können daher nicht absolut zutreffend sein.

 

Technische Daten der TM-76A (MGM-13A):

Länge:

13.600 mm

Flügelspannweite:

7.000 mm

Durchmesser:

1.200 mm

Gewicht:

8.500 kg

Fluggeschwindigkeit:

1.040 km/h (Mach 0,9)

Gipfelflughöhe:

12.200 m

Reichweite:

1.300 km (TM-76B: 2.400 km)

Antrieb:

Start: Thiokol Feststoffrakete, 430 kN Schub
Marsch: Allison J33-A-41, 23 kN Schub

Gefechtskopf:

W-28 thermonuklearer Sprengkopf (1,1 MT)

 

Die Matador- und Mace-Flugkörper konnten mit thermonuklearen Gefechtsköpfen bestückt werden und wurden auch beim NATO-Partner in Deutschland stationiert. Fälschlicherweise wurde hierzulande in Deutschland die Matador und ihr Nachfolger, die Mace, immer wieder als Raketen bezeichnet: Dies trifft insofern nicht zu, weil die Flugkörper mit Ausnahme der zusätzlichen Feststoff-Startrakete ein atmosphärisches Strahltriebwerk hatten – und kein Raketentriebwerk. Dieser Startbooster, die sogenannte RATO Bottle (RATO bedeutet Rocket Assisted Take-Off = "raketenunterstützter Start") erzeugte den notwendigen höheren Startschub und wurde nach Brennschluss abgeworfen.

 

Es gab folgende amerikanische Abschussanlagen in Deutschland:

Sembach: Typ TM-76A (CGM-13A)

Abschussanlage Nr. 1: Mehlingen (RFML)  / 12 Flugkörper (mobil, überirdisch);
Abschussanlage Nr. 2: Enkenbach (RFML)  / 12 Flugkörper (mobil, überirdisch)
Abschussanlage Nr. 3: Grünstadt (RFML)  / 12 Flugkörper (mobil, überirdisch)


Hahn: Typ TM-76A (CGM-13A)

Abschussanlage Nr. 4: Wünschheim (RFML) / 12 Flugkörper (mobil, überirdisch)
Abschussanlage Nr. 5: Kirchburg (RFML) / 12 Flugkörper (mobil, überirdisch)
Abschussanlage Nr. 6: Hundheim (RFML) / 12 Flugkörper (mobil, überirdisch)

(RFML = Rapid Fire Multiple Launch = nicht verbunkerte Anlage im Freien)


Bitburg: Typ TM-76B (CGM13B)

Abschussanlage Nr. 7: Rittersdorf  / 8 Flugkörper (stationär, verbunkerte unterirdische Silos)

Auf dem Gelände der Rittersdorfer Abschussbasis befindet sich auch noch ein strahlungssicherer NATO-Kommandobunker, welcher nicht mit den Abschusssilos verbunden war und autonom funtionierte. Dieser Bunker befindet sich 30 m unter der Erde und kann durch zwei Eingänge - ein Personen- und ein Materialeingang - betreten werden. Alle unterirdischen Räume in denen sich elektronische Geräte befanden waren federnd aufgehängt damit Erschütterungen (Bomben) an den elektronischen Geräten keinen Schaden anrichten konnten.

Grundriss NATO-Bunker Rittersdorf

(Quelle: unbekannt)

Über zwei Abluft- und zwei Zulufttürme wurde die Anlage, nach Filterung, mit Frischluft versorgt. Im Inneren befanden sich jede Menge Rechner und sonstige elektronische Geräte. Fast alle Räume waren durch eine Halon-Feuerlöschanlage geschützt.

 

Abschussanlage Nr. 8: Idenheim  / 8 Flugkörper (stationär, verbunkerte unterirdische Silos)

Die verbunkerte Abschussanlage in Idenheim ist identisch mit der in Rittersdorf. Allerdings wurde auf dem Idenheimer Gelände kein ABC-Bunker gebaut.

 

Bitburg: Typ TM-61C ("Matador")

Abschussanlage in Steinborn / Anzahl unbekannt (stationär, verbunkerte unterirdische Silos)

Die TM-61C war noch eine reine Matador und die Abschussanlage in Steinborn war die letzte Matador-Anlage in Europa, sie wurde bereits im Jahre 1962 deaktiviert.

 

Es gab somit in der Bundesrepublik Deutschland nur zwei stationäre, unterirdische und verbunkerte Abschussanlagen, beide in der Eifel: Die „Launch site 7“ bei Rittersdorf und die „Launch site 8“ nahe Idenheim.

Beide Anlagen wurden Ende der 60er aufgegeben, nicht ausgeräumt, aber noch von den US-Streitkräften der Bitburg Air Base bewacht. Heute gehört die Rittersdorfer Anlage einem Bauunternehmer. Die Anlage in Idenheim war im Besitz eines Autohändlers und ist, letzten Informationen zufolge, heute ein Paintballgelände.

 

Nachfolgend einige Illustrationen zum Aufbau und zur Funktionsweise der Abschussanlagen in Rittersdorf und in Idenheim (beide sind identisch):

Grundriss

 

Luftansicht

 

Längsschnitt

 

Längsschnitt

 

Längsschnitt - Abschuss

 

 

Français Deutsch