Maginotlinie - Geschichte

Vorgeschichte

Nachdem die Deutschen im Jahr 1870 die französischen Truppen besiegt hatten, verlor Frankreich im Jahr 1871 das Elsass und Lothringen. Dies durfte sich keinesfalls wiederholen. Infolge dessen befestigte Frankreich seine Ostgrenze in erheblichem Umfang. Um Verdun, Epinal, Toul und Belfort wurde ein Festungsgürtel angelegt. Verantwortlich für den Bau dieser "befestigten Plätze" (places fortes) war der Festungspionier Raymond Adolphe Séré de Rivières. Die Eroberung Verduns durch die deutschen Truppen im Jahr 1916 konnte durch diese "Places Fortes" verhindert werden. Trotz aller Anstrengungen konnten die Deutschen den Festungsgürtel um Verdun nicht überwinden und unterlagen so den Franzosen in einer der blutigsten Schlachten des ersten Weltkrieges.

 

Die Maginotlinie

1919 gehörten das Elsass und Lothringen wieder zu Frankreich. Zu diesem Zeitpunkt waren die Befestigungen des Typs "Séré de Rivières" schon veraltet. Hinzu kam, daß die Festungen, wegen der Verschiebung der Landesgrenze, zu weit von der neuen Grenze entfernt lagen. Wieder musste Frankreich seine Grenzen schützen. Ab 1920 wurden Pläne ausgearbeitet und im Jahr 1926 wurde, nach zahlreichen Unterredungen zwischen Pétain, Joffre und Foch eine Kommission gegründet, die zur Aufgabe die Verteidigung der Landesgrenzen hatte: die CDF (Commission de Défense des Frontières). Es wurden drei Grundprinzipien festgelegt:

  1. Drei Festungsgebiete (Régions Fortifiées = RF): das Festungsgebiet von Metz (RF de Metz) von Longuyon bis zur Saar, das Festungsgebiet der Lauter (RF de la Lauter) von der Saar bis zum Rhein und das Festungsgebiet vom Oberelsass und Belfort (RF de Belfort) von den Vogesen bis zum Jura.
  2. Die Befestigung der Alpen
  3. Der permanente Ausbau

Bis zum Januar 1929 wurde das Programm allerdings abgeändert:

  1. Es gab nur noch zwei befestigte Gebiete, das von Metz (von Longuyon bis St. Avold) und das der Lauter (von der Saar bis zum Rhein)
  2. Die Verteidigung des Rheinufers von Lauterburg bis Basel
  3. Die Befestigung der Alpen
  4. Die Gebiete um Zabern und Belfort wurden zurückgestellt und in Nordfrankreich, wo das verbündete Belgien seine Festungen hatte, waren keine Befestigungen geplant.

Im Januar 1930 übernimmt André Maginot, als Nachfolger von Paul Painlevé, das Amt des Kriegsministers. Am 14. Januar 1930 wird sein Gesetzentwurf über die Grenzbefestigungen Frankreichs vom französischen Parlament angenommen. Für den Zeitraum von 1930 bis 1934 wurden 2,9 Milliarden Anciens Francs (ca. 1,5 Milliarden Euro) freigegeben. So enstand die „Maginotlinie“.

Die CDF wurde von der CORF (Commission d’Organisation des Régions Fortifiées), Amtszeit von 1927 bis 1935, abgelöst. Die CORF bestimmte den Bauort, definierte die militärischen Aufgaben, erstellte Baupläne, organisierte Technik, Bewaffnung und Versorgung und legte fest, welche Truppen in die Festungswerke einzogen.

Der erste Bauabschnitt dauerte sieben Jahre:

1930:

Bau der kleineren Infanteriewerke, Kasematten und Unterstände

1931:

Vortrieb der unterirdischen Gänge der Artilleriewerke

1932:

Beginn des Baus der oberirdischen Teile der großen Artilleriewerke, den Kampf- und den Eingangsbunkern; Fabrikation der Waffen und Panzerteile

1933:

Die Artilleriewerke sind im Rohbau fertig; Einbau der Waffen und Panzerteile

1934-1936:

Innenausbau: Fahrstühle, Lüftung, Stromversorgung, Telefonleitungen, Küchen; Errichtung der oberirdischen Friedenskasernen und Bau von Panzersperren vor den Kampfbunkern

Durch die Drohungen Mussolinis und die Machtergreifung Hitlers kam es in den Jahren 1934-1935 zu einem Erweiterungsprogramm, den „Nouvaux Fronts“ (Neue Fronten). In den Abschnitten Maubeuge, Montmédy und Rohrbach entstehen neue Werke. Das Südelsass wird einbezogen und die CORF-Kasemattenlinie am Rheinufer wird bis zur schweizer Grenze verlängert. Trotztem bleiben Lücken. Von 1935 bis 1940 sollte die „MOM“ (Main d’Oeuvre Militaire = militärische Arbeitskraft) Lücken beseitigen. Die MOM errichtete in lückenhaften Abschnitten viele kleinere Bunker deren Kampfwert sich aber später als gering herausstellte.

Synchron hierzu verstärkte die STG (Section Technique du Génie = Technische Abteilung der Pioniertruppen) und die CEZF (Commision d’Etude des Zones Fortifiées = Kommission zur Untersuchung der befestigten Zonen) einige Abschnitte. Diese Bauten waren besser als die der MOM aber schwächer als die der CORF. Vieles musste zurückgestellt oder gestrichen werden. Trotzdem hat die CORF einiges an Bauwerken errichtet.

Von 1930 bis 1940 wurden gebaut:

    • 58 Werke im Norden und Nordosten Frankreichs, davon 22 Artilleriewerke
    • 50 Werke in den Alpen, davon 23 Artilleriewerke
    • Mehr als 400 Kasematten, Unterstände und Beobachtungsbunker

Als Bewaffnung gab es insgesamt:

    • 152 ausfahrbare Türme für Geschütze vom Kaliber 75 mm, Haubitzen vom Kaliber 135 mm, Granatwerfer vom Kaliber 81 mm und Zwillingsmaschinengewehre
    • 344 Geschütze
    • 1536 gepanzerte Kuppeln (fest einbetoniert und nicht ausfahrbar)
    • Infanteriebewaffnung mit ca. 500 Panzerabwehrkanonen vom Kaliber 3,7 oder 4,7 cm und mehr als 3000 Zwillingsmaschinengewehre
    • Hinzu kommt die Bewaffnung der MOM-, STG- und CEZF-Bauten

 

Artilleriewerke und Infanteriewerke

Die Mannschaftsstärke eines größeren Artilleriewerkes betrug im allgemeinen zwschen 500 und mehr als 1000 Mann. Normalerweise besaß ein Artilleriewerk („gros ouvrage“ oder „ouvrage d’artillerie“) zwei Eingangsbunker: einen Eingang für die Besatzung (Entrée des hommes = Mannschaftseingang) und einen für die Materialversorgung (Entrée des munitions = Munitionseingang). Die Zahl der Kampfbunker variierte je nach Werk zwischen 6 und 17. Dabei gab es:

    • Artilleriekasematten (mit Geschützen in Scharten),
    • Artilleriebunker (mit Geschützen in ausfahrbaren Türmen),
    • Infanteriekasematten (mit Schartengeschützen),
    • Infanteriebunker (mit ausfahrbaren Maschinengewehrtürmen),
    • Beobachtungsbunker und
    • Mischformen

Im Kriegsfall konnte sich die Besatzung ständig im Werk aufhalten und konnten unter (fast) allen Umständen kampfbereit halten. Dies wurde ermöglicht durch:

    • unterirdische Hohlgänge (z.T. mehrere Kilometer lang), die als Verbindung im Werksinneren dienten
    • eine unterirdische Eisenbahn mit 60 cm Spurweite
    • mehrere Materialaufzüge von den Gängen zu den Kampf- und Eingangsbunkern
    • eine unterirdische Kaserne mit Küche Lebensmittelvorräten, Schlafräumen, Toiletten, Duschen und einem Lazarett
    • ein Kraftwerk mit Dieselaggregaten, Transformatoren und Werkstatt
    • Stromkabel und Wasserleitungen
    • einen Befehlsstand mit Telefonzentrale. So war die Kommunikation innerhalb des Werkes, zu anderen Werken und zu oberirdischen Stellen möglich
    • ein Hauptmunitionslager in den größten Artilleriewerken („M1“)

Die Infanteriewerke („petits ouvrages“ oder „ouvrages d’infanterie“) waren, bis auf die kleineren Ausmaße, im allgemeinen baugleich zu den Artilleriewerken. Normalerweise bestand ein Infanteriewerk aus zwei bis vier Bunkern, die durch unterirdische Hohlgänge miteinander verbunden waren. Bei einigen Werken fehlte allerdings ein eigener Eingangsbunker, so daß der Zugang hier über einen Kampfbunker erfolgte. Es gibt auch einige Werke, die nur aus einem Bunker bestehen (ouvrage monobloc). Fast alle Infanteriewerke waren mit Maschinengewehren und Panzerabwehrkanonen ausgerüstet.

 

Infanteriekasematten

Kasematten waren kleine autonome Festungsbauten und dienten zum Sperren der Zwischenräume. Sie wurden im Abstand von ca. einem zueinander errichtet. Die Besatzung von 15 bis 30 Mann konnte sich mit Maschinengewehren und Panzerabwehrkanonen verteidigen.

 

Beobachtungsbunker

Die Beobachtungsbunker wurden auf erhöhten Punkten errichtet. Sie waren die Augen und Ohren der Maginotlinie und leiteten das Artilleriefeuer. Auch sie waren autonom.

 

Betonierte Unterstände („Abris“)

Die Unterstände beherbergten die Intervalltruppen. Es waren große Betonbunker (unterirdische und oberirdische), die 250 Mann Platz boten. Auch sie waren bewaffnet und autonom.

 

Bewaffnung

Da die Maginotlinie als defensive Befestigunglinie konzipiert wurde benötigte sie keine schweren Geschütze mit großer Reichweite. Wichtig waren vor Allem Schnelligkeit und Treffsicherheit.

Artilleriewaffen:

    • 75-mm-Kanone, Modell 1929, Kasemattengeschütz, Reichweite 12000 m
    • 75-mm-Haubitze, Modell 1931, Kasemattengeschütz, Reichweite 6000 m
    • 75-mm-Kanone, Modell 1932, Kasemattengeschütz, Reichweite 12000 m
    • 75-mm-Kanone, verkürzt, Modell 1932, Kasemattengeschütz, Reichweite 9500 m
    • 75-mm-Kanone, verkürzt, Modell 1932, Turmgeschütz, Reichweite 9500 m
    • 75-mm-Kanone, Modell 1933, Kasemattengeschütz, Reichweite 12000 m (nur in den Alpen)
    • 75-mm-Kanone, Modell 1933, Turmgeschütz, Reichweite 12000 m
    • 81-mm-Granatwerfer, Modell 1932, Kasemattengeschütz, Reichweite 3500 m
    • 81-mm-Granatwerfer, Modell 1932, Turmgeschütz, Reichweite 3500 m
    • 135-mm-Haubitze, Modell 1932, Kasemattengeschütz, Reichweite 5600 m
    • 135-mm-Haubitze, Modell 1932, Turmgeschütz, Reichweite 5600 m

Alle Turmwaffen sind Zwillingsgeschütze (zwei verbundene Geschützrohre, die nur gemeinsam ausgerichtet werden konnten). Die meisten waren in Geschütztürmen untergebracht (insgesamt 71 Artillerietürme). Mit der Infanteriebewaffnung kommt man auf eine Gesamtzahl von 152 versenkbaren Türmen:

    • 21 Türme vom Kaliber 75 mm, Modell 1933
    • 12 Türme vom Kaliber 75 mm, Modell 1932 R
    • 1 Turm vom Kaliber 75 mm, Modell 1905 R
    • 21 Türme vom Kaliber 81 mm
    • 17 Türme vom Kaliber 13,5 cm
    • 21 Maschinengewehrtürme
    • 12 Türme für Kombinationswaffe
    • 7 Türme für Kombinationswaffe und 5 cm-Granatwerfer

 

Die versenkbaren Türme:

    • 96-Tonnen-Turm für Zwillingsmaschinengewehr, Infanterie
    • 125-Tonnen-Turm für 81-mm-Granatwerfer, Artillerie
    • 151-Tonnen-Turm für eine kombinierte Waffe (Maschinengewehr und 5-cm-Kanone), Infanterie
    • 163-Tonnen-Turm für 135-mm-Haubitze, Artillerie
    • 189-Tonnen-Turm für 75-mm-Kanone Modell 1932, Artillerie
    • 265-Tonnen-Turm für 75-mm-Kanone Modell 1933, Artillerie

 

Infanteriewaffen:

    • Panzerabwehrkanonen vom Kaliber 3,7 und 4,7 cm (Modell 1934)
    • Schweres Maschinengewehr vom Kaliber 13,2 mm (Modell 1930; nur vereinzelt eingesetzt)
    • Zwillingsmaschinengewehr vom Kaliber 7,5 mm, Modell 1931, genannt „Reibel“
    • „Arme mixte“: Kombination aus einer 2,5-cm-Panzerabwehrkanone (Modell 1934) und zwei Maschinengewehren als Zwillingswaffe (diese Ausführung gab es nur in einigen Abschnitten der Maginotlinie)
    • Schnellfeuergewehr vom Kaliber 75 mm, Modell 1924/1929
    • Granatwerfer vom Kaliber 5 cm, Modell 1935
    • Rohre zum Auswerfen von Handgranaten (zur Nahverteidigung)

(aus: WAHL, J.-B.: Die Maginotlinie)

 

Die Bewaffnung und Panzerung der Maginotlinie im Detail.